RISKY BUSINESS ART
Der Schweizer Liedermacher Mani Matter warnt in seinem Song Eskimo vor dem Risiko der Hingabe. In seiner Geschichte kommt einer ums Leben, weil er sich in seine Höhle zurückzieht, um sich ganz dem Cembalo-Spiel hinzugeben. Er hört nicht, wie ein Eisbär in sein Zelt schleicht, um ihn zu töten. „Kunscht isch gäng es Risiko,“ so der Kommentar. Worin aber liegt das Risiko in der Kunst denn genau?
Wer Matters Liedtext genau zuhört, stellt fest, dass nicht notwendig die Obsession, die allen Gefahren gegenüber taub ist oder sein will, am Anfang der Tragödie steht. Auslöser des Unsterns scheint vielmehr der Wunsch nach absoluter Selbstbestimmung, nach eigenen Idealen. Der Eskimo hat noch nie Cembalo gespielt, glaubt aber ein Meister zu sein. Stirbt
der Mann also nicht zufällig, sondern muss er getötet werden, weil er das Unmöglich wagt – radikale Autonomie (durch Kunst), ohne Absicherung, ohne Bedenken, ohne Gedanken an ein Risiko zu leben? Stellt er eine Gefahr dar, weil er keine Angst kennt, oder gefährdet er sich selber, weil er die Risiken seines Handelns, den prekären Handlungsraum des Künstlers
unterschätzt? Wieso nennt Matter den tragischen Helden überhaupt
Künstler?
Die Ausstellung KUNSCHT ISCH GÄNG ES RISIKO will verschiedene Momente des Risikos in der Kunst durchleuchten. Ein Teil der Arbeiten setzt sich mit der Frage auseinander, wann Künstler und Künstlerinnen für die Gesellschaft ein Risiko darstellen, bzw. wann sie von außen als solches deklariert werden. Andere Arbeiten dokumentieren eine künstlerische
Praxis, die vom Riskieren der eigenen sozialen oder physischen Existenz handelt und/oder die Provokation und Produktion von Risiken geradezu zum künstlerischen Medium macht. Andernorts soll augenscheinlich werden, wie die Kunst als Experimentier- und Lebensfeld selber Unsicherheiten, Verunsicherungen oder Anfälligkeiten in der Persönlichkeit des Künstlers evoziert. Eine letzte Gruppe testet Modelle des Versicherns und der
Sicherung oder der Solidarisierung gegen Risiken durch künstlerische Aktionen.
Beteiligte Künstler/innen/Artists: Zanny Beggs, Marina Belobrovaja, Critical Art Ensemble, Barbara Gschwind, Albert Heta, Huth&Frey, Alfredo Jaar, Lukas Pusch, The Right Reverend, Oliver Ressler, Katja Schenker, Roman Signer, Joël Verwimp, Lars Vilks.
VERNISSAGE 5. September 2008, 19:00 UHR
Ausstellung vom 6. SEPTEMBER BIS 5. OKTOBER 2008
Öffnungszeiten: Mi - Fr 14:00 bis 19:00 Uhr / Sa und So 14:00 - 17:00 Uhr
Neuer Name, neue WebAdresse: kunsthalleluzern.ch
Rahmenprogramm:
An der Vernissage am Freitag, 5.9.2008 wird die Opernsängerin und Securitas-Wächterin
Anna Vichery Opernexzerpte zum Thema Risiko, angesiedelt zwischen
Verzweiflung und Glück, vortragen.
Am selben Tag werden Huth&Frey ihre streng geheimne, Risiko-reudzierenden
Massnahmen für die Öffentlichkeit anwenden. In der Kunsthalle zu sehen.
Am Samstag, 6.9.2008, 17:00 Uhr diskutieren Lars Vilks, Albert Heta, Prof. Dr. Schneemann,
Kunstgeshcichte, Universität Bern, und Prof. Dr. Mathilde Bourrier,
Soziologie, Universität Genf, und andere. Zum Künstler als soziales
Risiko und der Kunst als prekäre Praxis. In englischer Sprache.
Am Freitag, 19.9.2008 werden in einer Filmnacht zusätzliche Videoarbeiten der
teilnehmenden, sowie eingeladener Künstler und Künstlerinnen zum Thema
gezeigt. Während alle Videoarbeiten von herausragender Qualität sind,
freuen wir uns ganz besondern, den Film Strange Culture, 2007, zeigen zu
dürfen. Regie führt die mehrfach ausgezeichnete Amerikanerin Lynn
Hershman Neelson, zum ersten Mal in Europa zeigen zu dürfen. Der Film
handelt vom Justiz-Fall Steven Kurtz, Künstler des Critical Art Ensemble,
der aufgrund seiner künstlerischen Praxis 2004 des Bio-Terrorismus und
der Tötung seiner Frau angeklagt worden ist. Sein Fall wurde noch nicht
geschlossen. In der Hauptrolle ist Tilda Swinton zu sehen.
Informationen zur Filmnacht werden vor dem Anlass noch einmal versendet.