EinGehTipp: 903 N. Damen Ave.
Mai 27th, 200829. MAI – 1. JUNI 2008
903, N. DAMEN AVE.
6. Werkschau aus dem Wohnatelier für Luzerner Kunstschaffende in Chicago
Marie-Cécile Reber, Irina Lorez, Rahel Illona Eisenring
Vernissage: Donnerstag 29. Mai 2008, 19.00 Uhr.
Mit Live-Performance von Irina Lorez begleitet von dem Chicagoer Musiker Lou Mallozzi.
Seit dem 1. September 2001 unterhält der Verein Städtepartnerschaft Luzern-Chicago in Zusammenarbeit mit Stadt und Kanton Luzern sowie mit Unterstützung von privaten Sponsoren in Chicago ein Wohnatelier, das Luzerner Kulturschaffenden aller Sparten für jeweils vier Monate zur Verfügung gestellt wird.
Alle zwei Jahre findet die Ausschreibung und nachfolgend die Jurierung der eingegangenen Bewerbungen statt. Neben künstlerischer Qualität, professioneller und kontinuierlicher Auseinandersetzung mit dem eigenen Tätigkeitsfeld bewertete die Jury insbesondere auch das Potenzial, sich gezielt auf die Gaststadt Chicago einzulassen sowie wertvolle Beziehungen zu knüpfen und zu pflegen: Der Austausch-Gedanke sollte sichtbar werden sowie die Nachhaltigkeit des Projekts spürbar sein.
Im Jahr 2007 haben folgende Künstlerinnen im Atelier an der 903 N. Damen Ave. im aufstrebenden und hippen Quartier Wicker Park gelebt und gearbeitet.
Marie-Cécile Reber (1962)
Die Musikerin Marie-Cécile Reber ist hauptsächlich im Bereich der experimentellen, elektronischen Komposition tätig. Sie realisiert installative Musik mit Räumen, ¬Kompositionen mit starkem Umgebungsbezug, häufig in der Natur. Marie-Cécile Reber realisierte ein leises Projekt in einer lauten Stadt – im botanischen Garten von Chicago – „a flimsy moment“.
Rebers aussergewöhnliche "Blumensymphonie" basiert auf selbstgemachten, oszillativen, analogen Klängen und auf Bewegungssensoren. Die Sensoren reagieren auf die feinen Bewegungen der wachsenden Pflanzen und Blumen, die im botanischen Garten in Chicago wachsen. Diese Bewegungsmelder lösen durch ihre Bewegungen und ihr Wachstum Rebers Klänge aus. Die Komposition ist immer in Veränderung. Sie reagiert stets auf die sich bewegenden, wachsenden Pflanzen.
Der Film „The making of a flimsy moment" dokumentiert die Arbeit von Marie-Cécile Reber hinter der eigentlichen Komposition. Der Film gewährt Einblicke mit vielen, kleinen, kurzen Filmen im Entstehungsprozess von Rebers Arbeit: Entstehung der Klänge, der technische Aufbau im botanischen Garten, die Reaktionen der Passanten, Zuhörerinnen und Zuschauer...
Der Film ist nicht in traditioneller Weise ein Dokumentarfilm. Vielmehr deckt er Fragen und Antworten der geheimnisvollen und kreativen Arbeit Rebers auf. Auch bei der filmischen Realisation wurde mit ungewöhnlichen Mitteln gearbeitet. Die Realisation ermöglicht dem Zuhörer und der Zuschauerin eine eigene Sichtweise und lässt ihn und sie eigene Erfahrungen mit Klängen und Bildern machen.
Marie-Cécile Reber lebt als Musikerin in Luzern. Nach ihrem Klavier-Lehrdiplom studierte sie im Bereich elektronische Musik und Komposition am elektronischen Studio der Musik Akademie Basel bei Thomas Kessler weiter. Der Ausgangspunkt für ihre Musik sind Geräusche. Seit 1993 forscht und experimentiert sie mit Geräuschen und verarbeitet diese weiter zu Sampels/Sounds. Die subtile Grenze zwischen konkreten und musikalischen Klängen ist das Zentrum ihrer Arbeitsweise. Sie sind die Grundsteine ihrer Kompositionen, Installationen und ihren Live-Auftritten. Meist bestehen ihre Arbeiten aus Komposition, Konzept und Improvisation. Die verschiedenen Förder-, Kompositionsbeiträge und Residencen ermöglichen es ihr, ihre musikalische Forschung weiter zu entwickeln und zu verfeinern.
Irina Lorez (1968)
Mit Irina Lorez schickte die Jury eine herausragende Tänzerin und Choreographin der professionellen freien Tanzszene Luzerns nach Chicago. Irina Lorez wollte in Chicago gehen, stehen, tanzen, filmen und realisierte in der inspirierenden Grossstadt ihr Projekt „ChicagGO!“. Übrigens ist es das erste Mal, dass die Sparte Tanz im Luzerner Atelier in Chicago ¬vertreten war. Sie wird an der Vernissage die Liveperformance „GO!on rock“ zeigen, live begleitet von dem Chicagoer Musiker Lou Mallozzi.
Irina Lorez: Ich staune über die zahlreichen Jogger, die rennen, wo sie nur können. Bereits sehr früh am Morgen, bis spät in die Nacht. Ich stelle meine Kamera auf den Balkon, beobachte und filme sie. Sie rennen mit Hunden, zu zweit, mit Rucksack und iPod. Sie rennen um jedes Gramm Fitness. Ihre Körper sind aufgeladen und bereit, auf Knopfdruck loszulaufen, zu entfernten Zielen. Doch sie gehen die immer gleichen Wege. Erinnerung an Träume, in denen man rennt, aber nicht vom Fleck kommt.
Irina Lorez wurde an der Folkwanghochschule in Essen und am R.I.D.C (Rencontres Internationales de la Danse Contemporaine) in Paris ausgebildet. Als Tänzerin hatte sie Engagements u.a. bei Cie Objet Fax (CH) und Cie Studio Laroche Valière (F). Nach zehn Jahren in Paris ist Irina Lorez seit 1997 wieder in der Schweiz und hat Auftritte mit eigenen Soloperformances und Gruppenchoreografien. 2002 entstand in Luzern die freischaffende Kompanie Irina Lorez & Co. Irina. Lorez, welche immer wieder den Dialog mit anderen Kunstformen wie Video, Musik und Licht sucht, erhielt den Anerkennungspreis der Stadt Luzern und ein Stipendium des Vereins Städtepartnerschaft Luzern-Chicago, welches sie von Juni bis September 2007 zu einem Atelieraufenthalt in Chicago veranlasste.
Rahel Ilona Eisenring (1978)
Diese Illustratorin der jüngeren Generation überzeugte die Jury mit ihrem Projektbeschrieb und ihrer Arbeitsweise: frisch, frech und ungestüm. Zudem attestiert ihr die Jury ein grosses Potenzial zur künstlerischen Weiterentwicklung.
Rahel Ilona Eisenring: „Auf meinen Wanderungen und Hochbahnfahrten durch den Loop (Downtown Chicago) tastete ich mit meinen Augen ab, was ich mit den Händen anschliessend als Kartonstadt aufbaute: Fassaden, Passanten, Bodenplatten, Leuchtschilder, Strassenlampen. Ich sog Bewegung und Farbe in mein Gedächtnis auf. Bei Tag, bei Nacht, sonntags und zu Stosszeiten. Ich liess mich vom Lärm durchdringen und vom Rhythmus ziehen.
Der Kurzfilm LOOP MOVE hält die ersten Impressionen der Grossstadt fest. Ungefiltert, leicht, schillernd. Damit ich Zeugen hätte gegen die Überreizung, Abstumpfung oder den schützenden Filter meiner Sinne.“
Die Luzernerin Rahel Ilona Eisenring arbeitete nach ihrer Ausbildung zur Primarlehrerin als freie Illustratorin und diplomierte 2006 an der HGKL als Illustratorin/Designerin mit dem Legetrickfilm „Pauline im Juli“. Danach arbeitete sie als Zeichnerin und Animatorin an der Trickfilmsatire w.o.w. von Jonas Raeber, welche auf SF 1 ausgestrahlt wurde, bevor sie 2007 ihren Atelieraufenthalt in Chicago antrat.